Dienstag, 1. November 2011

Euro-Gipfel in Brüssel

Nachdem auf Drängen der Oppositionsparteien - SPD und Die GRÜNEN - am Mittwoch die Verhandlungsziele der Kanzlerin durch den Bundestag legitimiert wurden, startete am Mittwochabend der Euro-Gipfel in Brüssel. Die Euro-Staaten beschlossen einen 50-Prozent-Schuldenschnitt für Griechenland, eine Rekapitalisierung der Banken sowie das sog. „Hebelprinzip“ für den EFSF. Im Folgenden möchte ich erklären, warum ich als Finanzexperte und Oppositionspolitiker die beschlossenen Maßnahmen befürworte und im
Bundestag für die Eckpunkte der Kanzlerin gestimmt habe.
Die nicht enden wollende Unterstützung der Griechen durch den europäischen Rettungsschirm EFSF, gekoppelt mit drastischen Sparmaßnahmen seitens der Griechen, erwies sich als zunehmend ausweglos. Die konjunkturelle Lage blieb unverändert schlecht und es war offensichtlich, dass sich die griechische Wirtschaft, aufgrund der schlechten Bonitätsbewertungen der amerikanischen Rating-Agenturen, der auferlegten Sparmaßnahmen und der anhaltenden Proteste der Bevölkerung, in absehbarer Zeit nicht erholen würde. Der marode Staat schien zum Fass ohne Boden für die europäische Währungsgemeinschaft zu werden. Der schon seit längerem diskutierte Schuldenschnitt, welcher sowohl von der deutschen als auch von anderen sozialdemokratischen Parteien immer wieder ins Gespräch gebracht wurde, erwies sich als die einzige politisch und wirtschaftlich vertretbare Alternative. Um einen Verzicht auf die Hälfte der Schulden eines Landes zu realisieren, müssen jedoch die Gläubiger zum einen zustimmen und zum anderen finanziell gestärkt sein um die Verluste stemmen zu können. Deshalb war eine Rekapitalisierung der Banken, welche den größten Teil der Gläubiger ausmachen, eine in Verbindung mit dem Schuldenschnitt zwingend notwendige Maßnahme. Nach bisherigen Berechnungen müssen sich die betroffenen Banken frisches Kapital in Höhe von ca. 106 Milliarden Euro besorgen. Natürlich wird diese „Lösung“ des griechischen Schuldenproblems auch mit weiteren finanziellen Hilfen seitens anderer Euro-Staaten verbunden sein. Deshalb wurde das EFSF-Volumen mit Hilfe des „Hebelmodells“ verfünffacht. Dies geschieht allerdings nicht reell, sondern rein theoretisch mit Versicherungen. Der EFSF gibt keine direkten Kredite mehr aus, sondern versichert die Staatsanleihen mit 20 bis 30 Prozent. Bei einem möglichen Ausfall würde der EFSF folglich nicht alles sondern lediglich ein Fünftel der Summe verlieren. Somit ist das EFSFVolumen effektiv verfünffacht. Natürlich steigt durch dieses Versicherungsmodell im Gesamten das Risiko für die Euro-Staaten, allerdings schafft der auf theoretisch eine Billion aufgestockte Rettungsschirm auf den Märkten Vertrauen und macht Staatsanleihen attraktiver. Die positive Resonanz an der Börse war bereits während der beiden letzten Tagen erkennbar. Letztendlich ist das Ergebnis des jüngsten Eurogipfels ein Erfolg im Sinne der Schadensminimierung. Die Kanzlerin ist für die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern eindeutig zu loben. Dennoch muss man die Regierung Deutschlands und Frankreichs für ihre inkonsequente Haltung und das zu späte Erkennen der Notwendigkeit des Schuldenschnitts kritisieren.
Ich hoffe ich konnte Ihnen meine Entscheidung bei der Abstimmung im Bundestag und die
Ergebnisse des Gipfels plausibel erläutern.
Liebe Grüße
Karsten Welt